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Wenn CE-Methoden das Klima verändern sollen, müssen sie in einem sehr großen Maßstab durchgeführt werden. Dadurch könnten sie – unbeabsichtigt – andere Entwicklungsziele der Menschheit gefährden. Das gilt für Methoden der Kohlendioxid Entnahme (CDR) ebenso wie für Methoden zum Strahlungsmanagement (RM). Die potenziellen Konfliktfelder können Wissenschaftler heute schon umreißen: Jeder Hektar, der mit dem Ziel des Klimaschutzes wiederaufgeforstet oder zu Biomasseplantagen umgewandelt wird, könnte langfristig fehlen, wenn es darum geht, die stetig wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Futuristische Visionen wie die Bewaldung der Sahara scheitern unter anderem an der fehlenden Ressource Wasser.
Die beschleunigte Verwitterung großer Mengen Gestein könnte die biologische Artenvielfalt der Flüsse und Küstengewässer gefährden.

Wie die Auswirkungen des Klimawandels sind auch die Nebenwirkungen von CDR- und RM-Methoden nicht einheitlich verteilt. Sie erzeugen Gewinner und Verlierer, indem sie bestimmte Bevölkerungsgruppen oder Staaten begünstigen bzw. benachteiligen. Um politischen Spannungen vorzubeugen, müssten grenzüberschreitende Nebenwirkungen also von Anfang an mitbedacht und Lösungen oder Kompensationsmaßnahmen vorgeschlagen werden. Hinzu kommt: Von jenem Zeitpunkt an, ab dem eine gezielte Beeinflussung des Klimas vorgenommen wird, besitzt jeder Hurrikan, jede Dürreperiode, jede Überschwemmung das Potenzial, zu politischen Verstimmungen zu führen, weil es schwierig sein wird, genau zu bestimmen, wer oder was das Wetterphänomen ausgelöst hat.

Als sicher gilt, dass sich mit RM-Methoden das ursprüngliche Klima, wie wir es heute kennen, nicht wiederherstellen lässt. Das liegt daran, dass Kohlendioxid und in die Atmosphäre eingebrachte reflektierende Partikel ganz unterschiedlich wirken. Kohlendioxid beeinflusst die Wärmeabstrahlung der Erde. Da Wärmestrahlung recht gleichmäßig vom Planeten abgestrahlt wird, ist dieser Effekt global relativ ähnlich. Eingebrachte reflektierende Partikel hingegen würden sich auf die einfallende Sonnenstrahlung auswirken, und diese ist weltweit sowohl räumlich als auch zeitlich sehr unterschiedlich. Sie wirkt am stärksten tagsüber in den Tropen. In Gebieten, in denen polarer Winter herrscht, tragen die Partikel hingegen gar nicht zur Änderung der Strahlungsbilanz bei. Auch der Einfluss auf den Regen und die Niederschlagsverteilung wäre sehr unterschiedlich. Insgesamt dürften sich die Vor- und Nachteile des RM ungleich auf die verschiedenen Regionen der Erde verteilen, was zu erheblichen politischen Spannungen und finanziellen Kompensationsforderungen führen könnte. Methoden zum Strahlungsmanagement bergen außerdem das Risiko des sogenannten Terminationsschocks. Demnach könnte man zwar die Erwärmung der Welt zum Beispiel durch das Ausbringen von Schwefelpartikeln in der Hoch­atmosphäre für eine Zeit lang begrenzen – sollte man aber eines Tages damit aufhören, verschwindet der kühlende Effekt mit dem Absinken der Schwefelpartikel: Die Temperatur würde dann in einem viel schnelleren Tempo steigen, als dies ohne Klima-Beeinflussung der Fall gewesen wäre. Viele Tier- und Pflanzenarten hätten bei Eintreten einer abrupten Erwärmung vermutlich große Schwierigkeiten, sich den neuen Lebensbedingungen anzupassen.

Grundsätzlich lassen sich die Folgen der RM-Methoden, aber auch vieler CDR-Methoden – sofern im großen Maßstab angewandt – derzeit kaum abschätzen. Die Grenzen des ­Climate Engineerings sind aber nicht nur natürlicher oder technischer Art, sondern auch politischer Natur. Die Verwaltung und Steuerung des Climate Engineerings ist eine ungelöste Herausforderung.

Eine Fülle an Methoden – doch welche wäre geeignet?

Die Aufzählung verschiedener CDR- und RM-Methoden macht deutlich, dass es eine Fülle an Ideen gibt, die in der Zukunft potenziell als Ergänzung zur Emissionsminderung anwendbar wären. Während einige Methoden, wie etwa die Aufforstung oder die Produktion von Pflanzenkohle, bereits technisch ausgereift sind, sind andere bloße Ideen. Als sicher gilt, dass man nicht nur auf eine einzige Methode setzen, sondern je nach den Bedingungen vor Ort und je nach dem Zustand des Klimas verschiedene Methoden nutzen würde und müsste. Dabei ist zu beachten, dass viele CDR-Methoden über die Änderung der Albedo und des Wasserkreislaufs auch direkt in den Strahlungshaushalt eingreifen und dass umgekehrt viele RM-Methoden insbesondere über Temperatureffekte auf biologische Prozesse auch zu Veränderungen im Kohlenstoffkreislauf führen. Eine klare Trennung der jeweiligen Effekte und Nebenwirkungen gleichzeitig angewandter CDR- und RM-Methoden wäre also nicht immer möglich.

Beim Einsatz eines Portfolios von verschiedenen CE-Methoden käme hinzu, dass sich einzelne Methoden in ihren Wirkungen überlagern könnten. Die Situation wäre dann im Grunde vergleichbar mit einem Patienten, der zur Bekämpfung einer Krankheit viele verschiedene Medikamente einnimmt, von denen man aber weder genau weiß, wie sie individuell beim Patienten wirken, noch wie sie es im Zusammenspiel mit anderen Medikamenten tun. Wie groß die Wechselwirkungen sind bzw. wie man sie idealerweise nutzt, ist noch nicht ausreichend untersucht. Es könnte schwierig sein, Effektivität und Nebenwirkungen auf einzelne Methoden herunterzubrechen und den Einsatz dementsprechend zu regulieren. Eine internationale Abstimmung über den Einsatz der Methoden und ein koordiniertes Vorgehen wären daher grundlegende Voraussetzungen.

Ob CDR- oder RM-Methoden als Ergänzung zur Emissionsminderung zum Einsatz kommen, wird letztlich von politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Werten abhängen. Der Einsatz von Climate Engineering ist eben nicht nur eine Frage der technischen Machbarkeit. Vielmehr werden auch grundlegende gesellschaftliche Fragen wie etwa die der Generationengerechtigkeit berührt. ◆

K O M P A K T

 
 
  • CDR-Methoden tragen dazu bei, die Ursache der Erderwärmung zu bekämpfen, indem das Kohlendioxid aus der Erdatmosphäre entfernt wird. RM-Maßnahmen hingegen bekämpfen lediglich das Symptom der Erderwärmung.
 
 
  • CDR- und RM-Methoden sind nur dann klimarelevant, wenn sie in großen Dimensionen zur Anwendung kommen. Auf großer Skala birgt jede der Methoden jedoch bestimmte Risiken.
 
 
  • Keine der CDR- oder RM-Methoden ist bislang so weit ausgereift, dass sie sich im großtechnischen Maßstab einsetzen ließe. Viele Methoden sind bislang rein theoretische Überlegungen,
    die bestenfalls in kleinen Feldexperimenten getestet wurden.
 

 

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