Die verwirrende Vielfalt der Begriffe

In der Diskussion um die gezielte Beeinflussung des Klimasystems sind in den vergangenen Jahren immer wieder neue Begriffe aufgetaucht. Das erschwert den Zugang zum Thema. Seit gut einem Jahrzehnt wird der Begriff Climate ­Engineering benutzt, um Methoden zu kennzeichnen, die gezielt und in großem Maßstab in das Klimasystem eingreifen, um die Folgen des vom Menschen verursachten Klimawandels abzuschwächen. Synonym zu Climate Engineering spricht man im angloamerikanischen Sprachraum auch von Geoengineering, vereinzelt von Climate Intervention oder Climate Remediation. All diese Begriffe umfassen traditionell sowohl die Verfahren der Kohlendioxid-Entnahme (Carbon Dioxide Removal, CDR) als auch des Strahlungsmanagements (Radiation Management, RM).

Beim RM selbst gibt es eine ähnliche Begriffsvielfalt. Häufig wird der Begriff Solar Radiation Management (SRM) benutzt oder auch Albedo Modification. Da dieses jedoch nicht den Vorschlag abdeckt, über die Reduktion von Zirrus-Wolken den langwelligen Teil des Strahlungshaushaltes zu beeinflussen, greifen wir auf den Terminus RM zurück.

Diskutierte Methoden sind bei RM beispielsweise die Veränderung des Strahlungshaushaltes durch Aerosoleintrag in die Stratosphäre, bei CDR zum Beispiel die Verstärkung der CO2-Aufnahmekapazität des Ozeans oder das Aufforsten von ganzen Landstrichen. In „großem Maßstab“ heißt dabei, dass die Methoden signifikante Auswirkungen auf die planetare Strahlungsbilanz bzw. den Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre haben. Das Anstreichen einiger Häuser oder Dächer mit weißer Farbe oder das Pflanzen weniger Bäume fallen also nicht unter Climate Engineering, weil die globalen Auswirkungen verschwindend gering sind. Werden aber in großem Stil Landflächen aufge­forstet, um einen merklichen Effekt auf die atmosphärische Kohlendioxid-Konzentration zu bewirken und die Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen, entspricht dies einem gezielten großskaligen Eingriff in das Klimasystem. Denn die Umwandlung ganzer Landstriche in Plantagen verändert neben den Ökosystemen und der Biodiversität zum Beispiel auch den Wasserkreislauf und die Farbe der Erde – und damit das ­Klimasystem.

Die unmittelbaren Wirkungsweisen von RM und CDR sind grundsätzlich verschieden: RM greift in den Strahlungshaushalt der Erde ein, um die Erwärmung abzuschwächen, ohne dabei CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen. CDR greift hingegen in den Kohlenstoff-Kreislauf der Erde ein und hat die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre zum Ziel, geht also die wesentliche Ursache der menschengemachten Erderwärmung an.

Im Zusammenhang mit dem 2015 in Paris verabschiedeten Klimaabkommen ist für CDR-Maßnahmen ein weiterer Begriff gebräuchlich geworden: die sogenannten Negative Emission Technologies (NETs, negative Emissionstechnologien), wobei negative Emissionen für die Entnahme von Kohlendioxid aus der Erdatmosphäre steht. Gelegentlich wird statt CDR oder NETs auch der Begriff Greenhouse Gas Removal (GGR) verwendet, um neben dem Kohlendioxid auch andere Treibhausgase mit betrachten zu können. RM-Methoden gehören grundsätzlich nicht zu den negativen Emissionstechnologien, selbst wenn sie als Nebeneffekt auch die Treibhausgas-Konzentrationen beeinflussen können.

In der aktuellen Diskussion gibt es vermehrt Stimmen, CDR ­bzw. NETs generell nicht mehr zum Climate Engineering zu zählen.  Denn CDR trage zur Verringerung der Kohlendioxid-­Konzen­tration bei und wirke damit genauso ursächlich wie etwa die in kleinem Maßstab bereits als Mitigationsmaßnahme etablierte Aufforstung. Entscheidend ist hierbei die Definition von Mitigation: Der Weltklimarat definiert sie als „a human intervention to reduce emissions or enhance the sinks of greenhouse gases“ (Eingriff durch den Menschen, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern oder die Senken für Kohlenstoff zu vergrößern). Die Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre über eine Erhöhung der terrestrischen oder marinen CO2-Aufnahme entspricht der Schaffung von größeren Senken. Entsprechend der Mitigationsdefinition des Weltklimarats werden solche CDR-Methoden daher auch oftmals als Teil von Mitigation angesehen. Da Climate Engineering stark umstritten ist und in Wissenschaft und Gesellschaft kritisch betrachtet wird, könnte ein Ablösen der meisten CDR-Methoden von dem Oberbegriff Climate Engineering und eine Einordung unter das Konzept der Mitigation ihre gesellschaftliche Akzeptanz und politische Umsetzung erleichtern.

In dieser Broschüre wird der Terminus Climate Engineering, der CDR und RM zusammenfasst, als Oberbegriff gleichwohl dort beibehalten, wo Attribute (beispielsweise großer Maßstab, gezielter Eingriff) und Prinzipien angesprochen werden, die für beide Kategorien gelten. Damit schließt die Broschüre an die gebräuchliche Terminologie an. Für die eigentliche Beurteilung der Chancen und Risiken einzelner CE-Optionen ist der bedeutungsarme Oberbegriff häufig irrelevant und nicht zielführend. Daher wird dort immer zwischen Strahlungsmanagement und Kohlendioxid-Entnahme unterschieden. Da der Begriff Mitigation sehr unterschiedlich gedeutet wird, verzichten wir ganz auf dessen Verwendung und sprechen von Emissionsvermeidung, wenn die Verhinderung von Treibhausgasemissionen gemeint ist, und von Kohlendioxid-Entnahme, wenn von der Schaffung von Senken gesprochen wird.

Erwähnt sei im CDR-Kontext noch der Begriff Natural Climate Solutions (natürliche oder naturnahe Klimalösungen). Dieses Set von Maßnahmen umfasst neben dem Erhalt kohlenstoffreicher tropischer Wälder, Mangroven oder Moore auch das Entfernen atmosphärischen Kohlendioxids durch Wiederaufforstung, Landmanagement und andere ökosystem-basierte Ansätze wie Renaturierung von Küstengebieten (Blue Carbon) und Mooren. Natural Climate Solutions können Klima- und Naturschutz unmittelbar verbinden und werden daher häufig auch von Umweltschutzorganisationen vorangetrieben. Während einzelne lokale Maßnahmen nur ein geringes Potenzial im Hinblick auf die Kohlendioxid-Aufnahme aus der globalen Atmosphäre haben, könnten bei globaler Anwendung bedeutende Mengen Kohlendioxid entfernt werden. Unklar ist jedoch, inwieweit Anwendungen in großem Maßstab mit Naturschutz und anderen Nachhaltigkeitszielen vereinbar sind, wie nachhaltig die CO2-Speicherung bei diesen Verfahren ist und wie intensiv die Flächen für eine möglichst permanente CO2-Entnahme gemanaged werden müssen. ◆

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