Beschleunigte Verwitterung im Ozean

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Rund ein Viertel des durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe ausgestoßenen Kohlendioxids wird durch natürliche Prozesse von den Meeren aufgenommen. Dies führt zur Bildung von Kohlensäure und ist verantwortlich für die zunehmende Versauerung des Ozeans. Die Ozeanversauerung kann weitreichende negative Effekte auf Nahrungsketten und Artenvielfalt haben; sie hat zudem den Effekt, dass sich zum Beispiel kalkhaltige Sedimente oder Organismen wie Korallen verstärkt auflösen. Der Ozeanversauerung entgegen wirkt die natür­liche Verwitterung. Dabei werden mineralische Bestandteile aus dem Gestein gelöst, vom Land ins Meer geschwemmt und so in Form von Bikarbonat- und Karbonat-Ionen permanent im Meerwasser gebunden. Damit verändern sich die chemischen Eigenschaften des Meereswassers – es wird basischer. Wenn dieser Prozess im Oberflächenwasser in Kontakt mit der Atmosphäre stattfindet, kann das durch Verwitterung aus dem Wasser entfernte CO2 durch Kohlendioxid ersetzt werden, das aus der Atmosphäre nachströmt.

Als eine CDR-Methode im Meer wird deshalb die auch schon unter landbasierten Methoden diskutierte beschleunigte Verwitterung angedacht. Für die chemische Bindung von Kohlendioxid werden basische Substanzen, zum Beispiel Silikat- oder Karbonatgesteinsmehl, direkt ins Oberflächenwasser des Ozeans eingeleitet. Die Materialien können an Land in Minen abgebaut bzw. industriell hergestellt, per Schiff aufs Meer transportiert und dort im Wasser verteilt werden. Bei Anwendung dieser Methode könnte der Ozean nicht nur mehr Kohlen­dioxid aufnehmen. Als positiver Nebeneffekt würde dies zugleich der Ozeanversauerung entgegenwirken.

Potenzial
Grundsätzlich gibt es weltweit ausreichend Mineralien, um damit alle Kohlendioxid-Emissionen zu binden. Diese Mineralien müssten abgebaut und zu einem feinen Pulver zermahlen oder in einem industriellen Prozess chemisch aufbereitet werden, damit sie sich schnell im Wasser auflösen und nicht in die Tiefe absinken, bevor sie mit dem Kohlendioxid reagieren. Unlängst wurden existierende Studien daraufhin analysiert, welches Potenzial die beschleunigte Verwitterung haben könnte. Das Ergebnis: Vorausgesetzt man begänne umgehend damit, diese CDR-Methode aufzubauen, könnten ab 2050 jährlich zwischen zehn Millionen und fünf Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt werden.

Maßstab
Damit die beschleunigte Verwitterung einen globalen Effekt erreicht, müsste für die benötigte Menge an Mineralien ein ganz neuer Bergbau in großer Dimension etabliert bzw. eine große industrielle Fertigung aufgebaut werden. Denn um den weltweiten Kohlendioxid-Ausstoß zu kompensieren, müssten pro Jahr Mineralien in einem Umfang ausgebracht werden, der mit der Menge der heutzutage abgebauten Kohle vergleichbar ist. Hinzu kommt, dass das feine Mineralpulver entweder in Anlagen an Land im Meerwasser gelöst und anschließend ins Meer geleitet oder mit großen Frachtschiffen aufs Meer hinaustransportiert werden müsste. In der Summe wäre diese CDR-Methode kostspielig, energieintensiv und auch an Land ein großer Eingriff.

Anwendungsreife und Forschungsbedarf
Wie wirksam die beschleunigte Verwitterung auf globaler Skala sein könnte, was sie kostet und ob sie sich energetisch lohnt, wird derzeit mithilfe von Modellrechnungen und zum Teil in kleinen Laborexperimenten untersucht. Um diese Modellrechnungen noch genauer zu machen, bräuchte es Daten aus größeren, räumlich begrenzten Feldexperimenten. Damit ließe sich exakter bestimmen, wie viel zusätzliches Kohlendioxid durch die Mineralienanreicherung des Meerwassers aufgenommen werden würde. Zugleich könnten Erkenntnisse über die Auswirkungen der erhöhten Mineralienkonzentration auf die Meeres­lebewesen gewonnen werden. Manche Gesteine enthalten Eisen, das im Meer als Dünger wirkt, möglicherweise aber auch giftig wirkende Verunreinigungen, was zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen auf Meeresökosysteme führen könnte.