Das Klimapotenzial natürlicher oder naturnahe Klimalösungen

Bei der Suche nach Lösungen zur Begrenzung der Erderwärmung fällt mittlerweile häufig der Begriff Natural Climate Solutions (natürliche oder naturnahe Klimalösungen, NCS). Mit ihnen können durch intensive Landnutzung verursachte Treibhausgasemissionen reduziert oder natürliche Senken für Kohlendioxid verstärkt werden. Wissenschaftler unterscheiden zwischen zwei Arten von NCS. Es gibt renaturierende Maßnahmen und sogenannte Management-Maßnahmen. In die erste Kategorie fallen Ansätze, mit denen Landschaften und Ökosysteme in ihren natürlichen Ursprungszustand als Kohlenstoffsenke zurückgeführt werden; etwa indem Regen-, Mangroven- und boreale Wälder wieder aufgeforstet oder aber ehemalige Moore, Salzmarschen und Seegraswiesen renaturiert werden. Maßnahmen am oder im Meer werden oft auch als Blue Carbon-Ansätze bezeichnet.

Managementmaßnahmen verfolgen das Ziel, die Nutzungsweise von Forst-, Acker-, Grün- und Moorflächen so zu verbessern, dass der Kohlenstoffgehalt ihres Bodens und ihrer Vegetation steigt und die Flächen insgesamt weniger Treibhausgase freisetzen. Feldversuche zeigen, dass vielversprechende Emissionseinsparungen möglich sind – etwa, wenn auf einer Fläche Gehölzanpflanzungen und Ackerkulturen kombiniert werden oder anstelle von Kunstdünger mit Mist oder Kompost gedüngt wird.

Die Klimawirksamkeit naturnaher Lösungen ist potenziell beachtlich, sofern sie im großen, globalen Maßstab umgesetzt werden. Sie sind in der Regel einsatzbereit, kostengünstig und verbinden Klima- und Naturschutz miteinander, weshalb vor allem Umweltschutzorganisationen ihren Einsatz vorantreiben. Aktuellen Studien zufolge könnte allein durch NCS ein Drittel jener Emissionen kompensiert werden, die für das Erreichen des 2-Grad-Ziels vermieden werden müssten.

Die flächendeckende globale Umsetzung der NCS stößt aber auch auf Hindernisse und Grenzen. Für renaturierende Maßnahmen werden große Landflächen benötigt, die dann nicht mehr für die Lebensmittelproduktion zur Verfügung stünden. Gleiches gilt für die Ressource Wasser. Zudem bliebe die Frage, ob sich durch ein nachhaltiges Waldmanagement der hohe Bedarf an Holz und anderen Rohstoffen decken ließe. Eine besondere Herausforderung aber ist, dass es aufgrund der spezifischen Anforderungen der verschiedenen Ökosysteme kein Patentrezept gibt. Lösungen, die in Europa funktionieren, ließen sich nicht einfach auf andere Regionen der Erde übertragen. Sie müssten angepasst werden.

Die Welt bräuchte auch neue politische Instrumente für den Agrarsektor, um ein kohlenstoff-orientiertes Management der Böden zu ermöglichen. Durch die Einführung einer Kohlendioxid-Steuer könnte die Umsetzung von NCS gefördert werden. Zur Kontrolle der Maßnahmen müsste ein gutes Beobachtungsnetzwerk aufgebaut werden. Unabdingbar ist es außerdem, die vielen betroffenen Akteure (Landwirte, Konsumenten, Handel usw.) in den Prozess einzubeziehen.

Entscheidungsträger sollten zudem berücksichtigen, dass die Wirkung naturnaher Klimalösungen endlich ist. Kohlenstoff, der im Boden oder aber in Pflanzenbiomasse gespeichert ist, bleibt nur so lange in dieser Form erhalten, wie sich das Klima nicht nachteilig verändert, die nachhaltige Landnutzung aufrechterhalten wird und zum Beispiel Bäume nicht abgeholzt und verfeuert werden. Bekannt ist mittlerweile auch, dass sich die Klimabilanz von Ökosystemen wie Mooren oder Wäldern im Laufe der Zeit umkehren kann, wenn beispielweise das Treibhausgas Methan emittiert wird oder sich die Farbe der Landoberfläche verdunkelt, was zu einer zusätzlichen Aufheizung führen kann.

Geteilter Meinung ist die Wissenschaft in der Frage, inwieweit die Wirksamkeit naturnahe Maßnahmen künftig selbst durch den Klimawandel in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Einige Forscher gehen davon aus, dass die CO2-Aufnahmekapazität der Ökosysteme abnehmen wird, andere sagen eine Zunahme voraus. Unbestritten ist jedoch, dass der Einsatz naturnaher Klimalösungen viele positive Nebeneffekte mit sich brächte. Dazu zählen eine Verbesserung der Luft- und Wasserqualität sowie des lokalen Klimas, ein verbessertes Nährstoffangebot des Bodens, eine Zunahme der Biodiversität und Wasserhaltefähigkeit des Bodens sowie eine größere Widerstandsfähigkeit der betreffenden Ökosysteme gegenüber klimabedingten Extremereignissen wie Dürren. Außerdem erwarten Wissenschaftler weitreichende Synergieeffekte. Gäbe es im Zuge einer Kohlendioxid-Steuer Zahlungen für die Umsetzung naturnaher Klimalösungen, würden diese eine zusätzliche Einnahmequelle für die ländliche Bevölkerung darstellen. ◆