CE-Regulierungen unter dem Dach internationaler Abkommen

Juristen ziehen bei der Frage nach den rechtlichen Grenzen eines CE-Einsatzes vor allem drei internationale Konventionen zu Rate, die jeweils Teilaspekte abdecken. Dazu zählen:

→ die Londoner Konvention (Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und deren Stoffen) sowie deren Aktualisierung, das London Protocol, relevant für marine CDR-Methoden, 
→ die Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity, CBD), potenziell relevant sowohl für CDR- als auch RM-Methoden,
→ das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht (nur RM-Methoden) einschließlich seines Protokolls von ­Montreal über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen.

Das London Protocol als Modellfall 

Die Londoner Konvention aus dem Jahr 1972 gehört zu den ersten völkerrechtlichen Verträgen, die den Meeresschutz international zur Pflicht gemacht haben, und wurde 1996 durch das London Protocol für diejenigen Staaten, die dem Protokoll zugestimmt haben, geändert. Beide wurden vor allem mit der Absicht entwickelt, das Einbringen von schädlichen Abfällen und anderen Stoffen in den Ozean zu regulieren. Da bei CDR-Methoden wie zum Beispiel der Eisendüngung ebenfalls Stoffe in das Meer eingebracht werden, kann die Konvention in diesem Fall greifen. Kritisiert wird, dass der Konvention nur knapp 90 Staaten beigetreten sind und das London Protocol sogar nur über 40 Vertragsparteien verfügt, beide somit keine universelle Gültigkeit haben. Dennoch gilt sie als Konvention, die weltweit verbindliche Maßstäbe zum Meeresschutz setzt. Das liegt unter anderem daran, dass die Londoner Konvention durch das UN-Seerechtsübereinkommen gestärkt wird, die weltweit von fast allen Nationen anerkannte Verfassung für die Meere. So erklärt das UN-Seerechtsübereinkommen die Standards der Londoner Konvention und potenziell auch die des Protokolls indirekt für alle Staaten als maßgeblich, also selbst für jene Staaten, die die Verträge nicht unterzeichnet haben.

Internationale Konventionen haben die Eigenart, dass Ergänzungen, konkrete Rechte und Pflichten der unterzeichnenden Staaten zu einem späteren Zeitpunkt erweitert und ergänzt werden können. Dadurch wird es möglich, Konventionen auf neue, zum Zeitpunkt der Vertragsaushandlung noch unbekannte Phänomene anzuwenden. Hier liegt auch der große Vorteil im Hinblick auf marine CDR-Methoden. Denn damit wurde es möglich, das London Protocol in den vergangenen Jahren schrittweise um den Aspekt des CDR zu erweitern. Zwar sind die Ergänzungen noch nicht in Kraft getreten, weil sie ihrerseits von den Vertragsparteien des London Protocol ratifiziert werden müssen, doch ein Anfang ist gemacht. So wurde sein Anwendungsbereich dahingehend erweitert, dass künftig Marine Geo Engineering (marines CDR) unter dem Schirm dieses Vertragswerks reguliert werden kann. Bislang wurde in die Liste der CDR-Maßnahmen lediglich die Eisendüngung aufgenommen; durch Beschluss der Vertragsstaaten kann der Geltungsbereich des Protokolls aber auf andere ins Meer gelangende Stoffe, etwa bei der beschleunigten Verwitterung, erweitert werden. Das Protokoll wurde somit zukunftsfähig gemacht. Nach Ansicht von Rechtswissenschaftlern steht deshalb fest, dass das London Protocol als Modell dafür dienen kann, wie sich völkerrechtliche Verträge so anpassen lassen, dass sich unter ihrem Dach CDR-Methoden international regulieren ließen. Diskutiert wird allerdings noch, wann der Eintrag von Stoffen durch CDR-Maßnahmen im Einzelnen dem Meeresschutz widerspricht. Insofern spielt eine Rolle, inwieweit das Einbringen die Lebensräume im Meer beeinflusst oder verändert – ein Aspekt, der jeweils vor Durchführung eines Experiments anhand eines Bewertungsrahmens zu untersuchen ist. Die Zulässigkeit einer CDR-Maßnahme unter dem Dach des London Protocol ist also immer eine Frage des Einzelfalls.

Der Schutz der Artenvielfalt geht bislang vor

Naturgemäß bezieht sich das London Protocol nur auf ­Substanzen, die ins Meer eingebracht werden, und damit nur auf einen Teil der Maßnahmen im weltweiten CE-Portfolio. Insofern bedarf es weiterer Regelwerke. Ein Beispiel für ein solches internationales Regelwerk ist die Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity, CBD). Die CBD wurde mit dem Ziel ausgehandelt, die biologische Vielfalt zu erhalten. Sie trat im Jahr 1993 in Kraft. Gemäß CBD hat jeder Staat die Pflicht, seine natürlichen Ressourcen nachhaltig zu nutzen und grenzüberschreitende Schäden zu verhindern. Mit 196 Vertragspartnern ist die CBD fast universell gültig. Die USA haben die CBD allerdings nicht ratifiziert, sind also nicht an ihre Bestimmungen gebunden.

Auf den CBD-Vertragsstaaten-Konferenzen in den Jahren 2010 und 2012 wurden einstimmige Entscheidungen zu Protokoll genommen, nach denen die CBD auch in Sachen Climate ­Engineering beachtet werden sollte. So heißt es dort unter anderem, dass „mangels wissenschaftsbasierter, globaler, transparenter und effektiver Kontroll- und Regulierungsmechanismen für Geo Engineering und im Einklang mit dem vorsorgenden Ansatz [...] keine klimabezogenen Geo-Engineering-Aktivitäten durchgeführt werden, die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt haben können, bis eine angemessene wissenschaftliche Grundlage für die Rechtfertigung solcher Aktivitäten besteht“. Rechtlich bindend sind diese Ausführungen aber nach über­wiegender Ansicht nicht.

Im Gegensatz zum London Protocol ist die CBD nicht dazu bestimmt, bestimmte Aktivitäten zu regulieren. Ihre potenzielle Rolle bei der Regulierung von Climate Engineering besteht stattdessen darin, Kategorien und Verfahren zu identifizieren, mit denen die potenziellen Auswirkungen von Climate ­Engineering auf die Biodiversität überwacht und bewertet werden können. Problematisch ist, dass die in der CBD enthaltenen Pflichten eher weich formuliert sind. Insofern ist noch offen, inwieweit sie im CE-Kontext Schlagkraft entwickeln können. Allerdings haben sie durch die große Anzahl der Vertragspartner eine starke politische Signalwirkung.

Die Herausforderung, Schäden nachzuweisen

Diskutiert wird aktuell ferner, wann und unter welchen Voraus­setzungen bestimmte internationale Regelwerke überhaupt greifen. Das zeigt das Beispiel des Wiener Übereinkommens zum Schutz der Ozonschicht. Ihm zufolge sind die Vertragsstaaten dazu verpflichtet zu verhindern, dass Substanzen in die Natur freigesetzt werden, welche die Ozonschicht zerstören können. Die Vertragsparteien sind aber erst dann verpflichtet zu intervenieren, wenn klar erkennbar ist, dass eine bestimmte Stoffklasse oder ein bestimmtes Verfahren schädlich ist. Es braucht also stets einen kausalen Nachweis. Grundsätzlich könnte das Wiener Übereinkommen bei der Freisetzung von Salzwassertröpfchen zur Wolkenbildung oder bei der Ausbringung von Partikeln in die Stratosphäre greifen, weil beide RM-Methoden zum Abbau der Ozonschicht beitragen könnten. Das Problem besteht aber darin, dass sich ein solcher Nachweis nur dann führen lässt, wenn entsprechende RM-Experimente im großen Stil durchgeführt werden würden.

Die genannten Beispiele zeigen, dass es heute bereits eine Reihe von Regelwerken gibt, mit denen sich CDR- und RM Methoden zwischen den Vertragsstaaten organisieren und verwalten ließen. Letztlich sind diese Konventionen und Übereinkommen aber nur dann wirksam, wenn die Vertragsstaaten entsprechende Rechte und Pflichten in ihren nationalen Gesetzen verankern und diese auch durchsetzen. Auch eine effektive Regulierung der Methoden wäre nur unter diesen Umständen möglich.

Um weltweit an einem Strang ziehen zu können, ist es zudem essenziell, dass sich die Staaten über ihre CE-Maßnahmen abstimmen und dass sie über ihre Aktivitäten Bericht erstatten. Sollten künftig tatsächlich CE-Maßnahmen durchgeführt werden, dann braucht es ein weltweites Buchführungssystem, in dem über die einzelnen Maßnahmen in den verschiedenen Nationen und deren Beitrag zur Kohlendioxid- und Strahlungsbilanz Buch geführt wird – nicht zuletzt um zu ermitteln, ob das weltweit angestrebte Ziel einer Kohlendioxid-Reduktion insgesamt tatsächlich erreicht wird.

Dass eine solche internationale Abstimmung möglich sein kann, zeigt ein Beispiel aus einem anderen Sachzusammenhang: Die Internationale Atomenergie-Organisation in Wien ist eine wissenschaftlich-technische Organisation, die über die weltweiten Aktivitäten ihrer Mitgliedsstaaten informiert wird und die für die Überwachung und Weiterentwicklung von Sicherheitsstandards zuständig ist. Ob nach ihrem Vorbild ein allgemeines Buchführungs- und Überwachungssystem für das Climate Engineering etabliert werden könnte, ist jedoch offen. ◆