Methoden des Climate Engineerings: Lässt sich die Erderwärmung bremsen, wenn man das Klima­system gezielt beeinflusst?

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Um ein weiteres Aufheizen der Erde zu verhindern, werden verschiedene Methoden angedacht, die im Wesentlichen zwei unterschiedliche Strategien verfolgen: der Atmosphäre Kohlendioxid zu entnehmen oder die Einstrahlung von Sonnenenergie zu verringern. Keine der hierbei diskutierten Methoden ist bislang ausgereift. Weder Potenziale noch mögliche Risiken lassen sich bislang genau abschätzen. Für einige Methoden ist aber schon jetzt abzusehen, dass diese auch erhebliche Nebenwirkungen haben könnten.

Mit dem Begriff Climate Engineering (CE) werden seit einiger Zeit großskalige technische Maßnahmen bezeichnet, die das Klima beeinflussen sollen, um den vom Menschen verursachten Klimawandel zu bremsen. Dabei werden unter diesem Begriff zwei grundlegend unterschiedliche Strategien zusammengefasst:


1. Der erste Typus wird als Carbon Dioxide Removal (CDR, Kohlendioxid-Entnahme) bezeichnet und greift mit der Beeinflussung des Kohlenstoffkreislaufs in den Naturhaushalt der Erde ein. Die hierbei diskutierten Methoden sollen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen und langfristig speichern. Auf diese Weise soll der Atmosphäre die Ursache der Klimaerwärmung entzogen werden: die erhöhte Kohlendioxid-Konzentration, verursacht durch die Emissionen aus fossilen Energieträgern.


2. Zum anderen werden Methoden diskutiert, die in den Strahlungshaushalt der Erde eingreifen. Sie sollen dafür sorgen, dass weniger Strahlung die Erde erreicht oder Strahlung stärker ins Weltall abgegeben wird. Dieser Verfahrenstypus wird als Radiation Management (RM, Strahlungsmanagement) bezeichnet. Er soll die Erderwärmung reduzieren, obwohl die Treibhausgase, insbesondere das sehr langlebige Kohlendioxid, in der Atmosphäre verbleiben.

Stand der Dinge

Schon seit mehr als 20 Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler weltweit mit verschiedenen Methoden der Kohlendioxid Entnahme (CDR) und des Strahlungsmanagements (RM). Einige wurden bereits im Labor oder in kleinen Experimenten im Freiland getestet, viele sind bislang nur theoretische Ansätze. Aussagen über ihre Wirksamkeit beruhen derzeit vor allem auf Modellierungsergebnissen. Es ist unklar, inwieweit deren Anwendung selbst bei einer drastischen Emissionsreduktion praktisch möglich und ausreichend wäre, um die Erderwärmung auf 1,5 bzw. unter 2 Grad Celsius zu beschränken. 

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine CDR- oder RM-Methode, die im großen Maßstab einsetzbar wäre. Je nach Methode sind Potenzial und/oder Nebenwirkungen nicht ausreichend bekannt. Zudem sind die technischen Konzepte noch nicht ausgereift bzw. fehlen Strategien zur großflächigen Anwendung der Methoden. In vielen Fällen gibt es wissenschaftliche, rechtliche, ethische oder politische Bedenken gegen Feldexperimente und gegen den Einsatz der Methoden.

Von welchem Zeithorizont und räumlichen Maßstab sprechen wir?

Damit CDR- und RM-Methoden signifikante Auswirkungen auf die planetare Strahlungsbilanz bzw. den Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre haben können, müssen sie in einem sehr großen Maßstab und teilweise für sehr lange Zeit durchgeführt werden. Hier gibt es aber einen wesentlichen Unterschied zwischen den CDR- und den RM-Methoden:

→ RM-Methoden sind prinzipiell nicht permanent, sondern wirken nur so lange, wie der gezielte Eingriff in den Strahlungshaushalt aufrechterhalten wird. Da man in diesem Falle nicht die Ursache der Klimaerwärmung, das Kohlendioxid, bekämpft, würde man die RM-Methoden so lange weiterführen müssen, bis das langlebige Kohlendioxid auf natürlichem Wege oder durch flankierende CDR-Maßnahmen wieder aus der Atmosphäre entfernt ist. Die natürliche Senke ist im Wesentlichen der Ozean. Er nimmt aktuell etwa 20 bis 25 Prozent des heute emittierten Kohlendioxids auf. Seine Kohlendioxid-Aufnahme verläuft aber sehr langsam und dauert viele Jahrhunderte bis Jahrtausende. Entsprechend müssten die RM-Methoden über viele Generationen hinweg am Laufen gehalten und finanziert werden und zeitgleich der Wandel zu einer kohlenstoffneu­tralen Gesellschaft gelingen, gegebenenfalls mit Unterstützung durch CDR. Voraussetzung wäre eine stabile Weltordnung über viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte, damit die internationale Staatengemeinschaft an einem Strang ziehen und beim Strahlungsmanagement kooperieren kann.

→ Gelänge es, CDR in großer Dimension aufzubauen, könnte es im Zusammenspiel mit massiver Emissionsreduktion möglich sein, die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre auf dem heutigen Niveau zu halten oder sogar noch weiter zu reduzieren. Dabei ist allerdings zu beachten, dass man beim CDR zwischen sogenannten permanenten und zeitlich begrenzten, also temporären Speichern unterscheidet. Zu letzteren zählen unter anderem Bäume. Während ihres Wachstums entziehen Bäume der Atmosphäre Kohlendioxid und speichern es im Holz. Buchen beispielweise werden mehr als 400 Jahre alt und können das Klimagas entsprechend lange der Atmosphäre entziehen. Verwendet man das Holz anschließend zum Bauen, bliebe das Kohlendioxid in den Gebäuden weiter für lange Zeit konserviert. Pflanzenkohle könnte das Kohlendioxid möglicherweise einige tausend Jahre speichern. Ein entscheidender Speicher ist ferner der Ozean. Das beispielsweise im Ozean über absinkende Algen in die Tiefe eingebrachte Kohlendioxid gelangt nach etwa 1.000 Jahren wieder an die Meeresoberfläche und von dort in die Atmosphäre. Neutralisiert man das im Meerwasser gelöste Kohlendioxid mit basischen Substanzen, wie bei der CDR-Methode der beschleunigten Verwitterung von Gestein, wird das Treibhausgas dauerhaft aus dem System entfernt. Zu den permanenten Speicherformen gehört auch die dauerhafte Bindung von Kohlendioxid in Gestein. Hier wird das Treibhausgas mit Wasser vermischt und mit hohem Druck in vulkanisches Basaltgestein tief in die Erde gepumpt. In einem natürlichen Prozess reagiert das Basaltgestein dann chemisch mit dem Kohlendioxid und formt dabei Karbonatmineralien, vergleichbar mit Kalkstein, in denen das Gas dauerhaft gebunden wird. 

Sollte sich die Gesellschaft entscheiden, Emissionsminderungen durch Climate Engineering zu ergänzen, so wären Methoden zur Kohlendioxid-Entnahme hinsichtlich der Klimaziele langfristig sinnvoller als Methoden des Strahlungsmanagements. Denn erstere bekämpfen die Ursache direkt, indem sie das vom Menschen emittierte Kohlendioxid aus der Atmosphäre entnehmen. Zudem wirkt die Kohlendioxid-Entnahme gegen die Versauerung der Ozeane. Allerdings sind CDR-Methoden kein geeignetes Mittel, um schnell in die Klimaabläufe der Erde einzugreifen. Sie bräuchten aufgrund der erforderlichen Kohlenstoffmassen, die umgesetzt werden müssten, schätzungsweise fünf bis 15 Jahre, um eine klimatische Wirkung zu entfalten. Auch CDR Maßnahmen müssen also rechtzeitig und über eine längere Zeit angewendet werden, um eine Wirkung zu erzielen. Für viele Verfahren muss darüber hinaus die Dauerhaftigkeit der CO2-Speicherung überwacht werden.

Entscheidend ist ferner die räumliche Ausdehnung der Methoden. Denn nur in einem großen Maßstab angewandt wären deren Auswirkungen auf die planetare Strahlungsbilanz bzw. den Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre relevant für das Problem der Erderwärmung. Als eine CDR-Methode wird beispielsweise die Aufforstung von Landflächen diskutiert. Allerdings müsste sehr viel Wald aufgeforstet werden, um relevante Mengen Kohlendioxid zu binden. Die potenzielle Landfläche, die sich weltweit zur Aufforstung eignet, ist jedoch begrenzt. Ähnliches gilt für den großräumigen Anbau von Biomasseplantagen. Außerdem ist diese Landfläche dann für andere Nutzungen, insbesondere die Nahrungsmittelproduktion, verloren. Damit berühren biomasse basierte CDR-Verfahren unmittelbar Fragen der Ernährungssicherheit.

Eine Maßnahme, die sich hingegen prinzipiell unbegrenzt einsetzen ließe, ist das sogenannte Direct-Air-Capture-Verfahren. Dabei wird der Luft mithilfe technischer Anlagen Kohlen­dioxid entzogen. Das aus der Luft herausgelöste Kohlendioxid könnte dann in der chemischen Industrie weiterverwendet werden (Carbon Capture and Usage, CCU). Damit es der Atmosphäre für lange Zeit entzogen wird, müsste es allerdings energieaufwändig zu langlebigen Produkten verarbeitet werden. Das mengenmäßige Potenzial von CCU wird im Vergleich zu der für das Erreichen der Klimaziele erforderlichen CO2-Entnahme als nicht sehr hoch eingeschätzt. Eine Alternative wäre die Speicherung des herausgelösten Kohlendioxids in tiefen Gesteinsschichten, beispielsweise in leeren, bereits ausgebeuteten Erdgas- oder Erdöllagerstätten. Experten bezeichnen diese Verfahren als Carbon Capture and Storage (CCS; Kohlenstoffbindung und -speicherung, siehe hier). Geologen gehen davon aus, dass weltweit unterirdische Lagerstätten mit ausreichendem Volumen zur Verfügung stehen, um langfristig alle anthropogenen Kohlendioxid-Emissionen aufzunehmen und so der Atmosphäre zu entziehen.

Die verschiedenen Methoden

Sowohl der mögliche Nutzen als auch das Risikopotenzial der verschiedenen CDR- und RM-Methoden unterscheiden sich deutlich. Bei den CDR-Methoden ist darüber hinaus die jeweilige Zuordnung zu Noch-Klimaschutz oder Schon-Climate Engineering strittig bzw. schwierig. Es ist daher wichtig, sich jede Methode einzeln anzusehen.

Auf den folgenden Seiten werden zunächst die Methoden der Kohlenstoff-Entnahme (CDR) unterteilt nach Maßnahmen an Land und im Ozean sowie im Anschluss die Methoden des Strahlungsmanagements (RM) im Detail vorgestellt. Für alle Methoden werden Potenzial und Nebenwirkungen abgeschätzt, wobei das angegebene Potenzial nicht unbedingt ausgeschöpft werden müsste, um die Klimaziele von Paris zu erreichen. Im Sachstandsbericht des Weltklimarats sind es circa 10–20 Milli­arden Tonnen CO2, die gegen Ende des Jahrhunderts pro Jahr aus der Atmosphäre entnommen werden müssten, wenn umgehend mit einer drastischen Verminderung der Emissionen begonnen wird.